Blog

A new story is born: ein Blick hinter die Kulissen der Crawford-ChronikenTest

Für alle, die es noch nicht wissen: Die Crawford-Chroniken basieren auf einer lebendigen und laufenden Rollenspielrunde.

Wir sind aktuell (Oktober 2023) im Plot von Band 5.

Angefangen hat alles im August 2019, als wir in meinem Schrebergarten mit Blick auf ein Wahrzeichen des deutschen Bergbaus saßen, und unsere neue Rollenspiel-Kampagne entwarfen.

Ich war die designierte Spielleiterin und Kampagnenschreiberin. Dieses „Leid“ hatte ich mir selbst ausgesucht. Es sollte nach Westeros gehen. Dafür gründeten wir unser eigenes Adelshaus.

Wir nahmen ein Regelbuch zur Hand, mit dem gewisse Grundpfeiler durch Würfeln bestimmt werden sollten.

Dabei kam heraus:

  • Unser Haus ist sehr jung. Wir wurden gerade erst in den Adelsstand erhoben
  • Unser Haus hat irgendwas ziemlich geil gerockt, um das zu schaffen.
  • Wir leben im sonnigen Süden.
  • Wir bekommen eine recht große Burg.

Weitere Festlegungen waren:

  • Die Crawfords waren eine Bande von Räubern, bevor sie geadelt wurden.
  • Die Familiengeschichte hat es in sich. Im Schatten eines der Wahrzeichen deutschen Bergbaus, unter einem Pflaumenbaum, haben wir richtig auf die sprichwörtliche Kacke gehauen, weil wir für unsere langjährige Rollenspielrunde endlich mal richtig fettes Drama wollten. Die Nachbeben dieses Urknallereignisses spüre ich bis heute und ihr könnt es in den Büchern lesen. Würde ich das noch einmal so machen? Ich weiß es nicht. Es ist schon harter Tobak. Der Geschichte tut es gut, die Figuren werden dadurch wahnsinnig interessant, wie auch die Dynamiken zwischen ihnen, aber es tut mir als Spielerin und Autorin auch in der Seele weh.
  • Eine Frage, die aus der Räubervergangenheit resultierte, war: Raubritter vs. Paladine? Entscheidung: Wir sind die Guten, nicht die Bösen. Böse Figuren spielen, das haben wir ganz zu Beginn unserer Rollenspielkarriere mal gemacht, und fanden es nach zwei Abenden uninteressant. Weltvernichtung allein ist auf Dauer eben doch öde. Diese grundsätzliche Entscheidung hat sich als ein Segen herausgestellt. Nach meinem Erachten ist es besser für die Seele, in grundsätzlich gutherzige Figuren einzutauchen, als in Arschlöcher. Im Spiel erproben wir Verhaltensweisen, denken und fühlen mit und für die Figuren, und da möchte ich nicht standardmäßig in Narzissten und Egomanen wohnen. Die Momente, in denen ich in den Fieslingen stecke, hängen mir nach. Während ich übel lüge und betrüge, mag ich mich selbst nicht. Wie wäre das, wenn das nicht nur episodenweise, sondern über viele Stunden meine Agenda wäre?
  • Unser Familienoberhaupt ist kompetent, in dem was er tut. Ich hätte mich auch gefreut, den Spieler*innen einen hedonistischen Vollidioten vorzusetzen, aber das wollte niemand. Vorteil: So können die Spieler erstmal in Ruhe die komplexe Spielwelt und Spielweise kennenlernen, statt nur hinter ihrem Boss aufzuräumen (was sie aber auch so schon oft genug tun müssen). Jetzt fragt ihr euch vielleicht: „Warum mussten die Spieler in Ruhe lernen?“ Ja, sie waren und sind langjährige und versierte Rollenspieler, aber es ist schon was anderes, ob man vornehmlich in Dungeons rumkriecht, Mysterien aufdeckt und Orks verhaut, oder als Hauptjob Politik macht, sowie Intrigen spinnt und durchkreuzt. An dieser Stelle sei gesagt: Das klingt als Rollenspiel-Tagesprogramm vielleicht lame, ist es aber überhaupt nicht. Und zum Kloppen und Entdecken gibt es bei uns ja nach wie vor was.
  • Die verwandtschaftlichen Verhältnisse der Figuren wurden festgelegt.
  • Dem Haus haben wir einen Namen, ein Motto und ein Wappentier verpasst und der Burg einen Namen gegeben.
  • Wir einigten uns darauf, dass wir es BIG machen wollen. Keine kleine Story, sondern eine fette, epische. Man lebt nur einmal!

Die Spieler*innen waren nun angehalten, ihre Figuren zu gestalten.

Basierend auf der oben beschriebenen Grundausstattung folgten auf meinem Reißbrett nun die nächsten Schritte.


Ich suchte Bilder, Bilder und nochmals Bilder, schrieb Kurzcharakterisierungen und Motive, vieles davon entschied der Würfel. Das hat wirklich lange gedauert. Am Ende standen die ersten ca. 10 Adelsfamilien mit jeweils einer Handvoll Mitglieder, mit denen die Crawfords in Interaktion treten konnten, sowie erste Plotideen, die sich schon aus den entworfenen Figuren ergeben hatten.

Dazu hatte ich das meiste Hauspersonal und einige Leute aus der Stadt entworfen.

Seither wächst die Zahl der Figuren in den Crawford-Chroniken beständig. Dank One Note ist das alles sehr hübsch sortiert und die offenen Infos sind für die Spieler jederzeit zugänglich.
Meine Prämisse bei der Figurenerschaffung: Sie sind glaubhaft, das heißt menschlich, grauschattiert, unterschiedlich komplex und verwundbar. Die Protas und wichtige Figuren sind natürlich detaillierter ausgearbeitet. Die Interaktionen zwischen den Figuren treiben die Geschichte der Crawford-Chroniken an. Ihre Konflikte und Entwicklung stehen im Mittelpunkt.


Ein paar Vogelfreie, die in Leggins gut aussehen, werden nichts reißen. Ich gebe ihnen Macht, Ressourcen und besondere Fähigkeiten. Es soll Spaß machen, sie zu spielen und die Antagonisten werden äquivalent dazu aufgemotzt. Normal ist hier auf Erden. Wobei… Ich glaube, diesen Satz nehme ich gleich wieder zurück…

Der Deal ist dabei immer: Wenn eine Figur richtig gut in etwas ist, muss sie dafür in anderen Bereichen Schwächen aufweisen.

Nobody is perfect.


Ich will, dass sie grundsätzlich wie unsere funktioniert, damit ich nicht alles bis hin zu den Gemüsesorten erklären muss, sie muss also „schlank“ sein, und dennoch ein eigenes Flair besitzen. Darum gibt es ein paar Besonderheiten wie Legenden, Völker und Mysterien. Allerdings gibt es keine klassischen Fantasyelemente wie Drachen, Elfen oder Zauberer.

Ich nutze die Welt zur Einbettung der Erzählung und dem Aufbau der inneren Logik. Es soll Spaß machen, sie zu entdecken, aber niemanden überfordern. Die Spieler wie auch die Leser sehen oft nur die Spitze des Eisbergs. Ich will es geheimnisvoll halten und niemanden mit Infos zumüllen (Stichwort: Infodump). So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Und um es mit einer alten Rollenspielerweisheit zu sagen: Bewahret das Mysterium!

Ich führe unterschiedliche Typen ins Feld. Die einen sehen sich als Bewahrer des alten Systems, andere verfolgen eine rein egoistische Agenda. Manche sind richtige Kotzbrocken, andere nur arme Irre.

Ihre Motive entspringen der Logik ihrer Denke und der Romanwelt. Das erscheint uns modernen Westlern mitunter vollkommen fremd.

Übrigens begehen auch Antagonisten Fehler und nicht alle sind als Ränkeschmiede genial. Oft genug stolpern sie auch – ganz wie bei Shakespeare – über ihre fatalen Charakterschwächen (wie im Übrigen die Agonisten auch).

Wie bei den „Guten“ spiele ich bei den Antagonisten die ganze Klaviatur.

Beim Schreiben beachte ich noch eines: Haben meine Antagonisten wenig Screentime? Dann charakterisiere ich sie auf den Punkt.

Ich erschaffe den Plot für die Runde vorab. Dazu simuliere ich im Kopf, was passieren wird, manchmal in dutzenden von Iterationen. Für die wichtigen Plotstränge weiß ich lange im Voraus, wo ich hinwill, und muss „nur“ A mit B verbinden.

Bei Ereignissen, die eher weit in der Zukunft liegen, muss ich meine Ausarbeitungen aber immer wieder anpassen, da sich die Voraussetzungen ändern können, z.B. wenn eine involvierte Figur stirbt. Dann kann ich meine ursprüngliche Idee über den Haufen werfen.

Den Plot würze ich kräftig. Hier gibt es Intrigen, Drama, Geheimnisse, Übernatürliches, Action, Grusel, Komik, Absurdes… Im Zentrum der Handlung stehen meistens Figuren und ihre Taten und Worte.

Ich habe ein Talent dafür, sehr unterschiedliche Charaktere konsistent und facettenreich darzustellen. Da mir das auch sehr viel Spaß macht, mache ich davon reichlich Gebrauch.

Es gibt bei mir aber auch Action-Plots, Waffengewalt, Ermittlungen, Herumschleichen und vieles mehr.

Ich freue mich übrigens mitunter jahrelang darauf, gewisse Szenen endlich spielen und später auch schreiben zu dürfen. Der üble Cliffhanger am Ende von Band 3 ist so eine Stelle, auf die ich lange (eineinhalb Jahre) hingefiebert habe.

Unter den fixen Handlungsbögen können sich die Figuren und damit auch die Spieler austoben. Das heißt auch, dass meine Spieler mir ihre kreativen Inputs schenken. So werden manchmal Handlungsstränge viel wichtiger als ursprünglich geplant, während andere sich weniger stark entwickeln, weil die Spieler nicht darauf anspringen, oder sie nicht funktionieren, wie ich es ursprünglich vor Augen hatte. Auch bekommt das Ganze zwischenmenschlich eine ganz erhebliche Dynamik. Wir haben uns am Spieltisch schon ganz ordentlich gezankt… Nachlesen könnt ihr das in den Romanen.

Die Eckpfeiler der Handlung werden bei alledem aber nicht angeführt und es ist meine Aufgabe als Herrin der Spielwelt, die Spieler das nicht merken zu lassen.

In den Crawford-Chroniken hat der Zufall übrigens ein Mitspracherecht. In einer typischen Rollenspielrunde werden manche Situationen durch Würfelwürfe entschieden, beispielsweise, wie gut sich jemand in einem Kampf oder einer wichtigen Verhandlung schlägt. So ist das bei uns auch.

Darüber hinaus würfle ich noch mehr, wie oben beschrieben zB manche Charaktereigenschaften von Figuren, aber auch, ob jemand jemanden attraktiv findet, oder welches Geschlecht ein neugeborenes Baby hat. Das gibt dem Plot mitunter unerwartete Wendungen.

Ich würde also sagen, mein Plot ist nicht ganz Freejazz, aber nahe dran. Gibt es sowas: Freejazz mit ein paar vorher festgelegten Regeln?

Unbeobachtet von der Welt spielen wir in sehr langen Sessions etwas zwei Mal im Monat die Crawford-Chroniken. Dabei entstehen unvollständige Spielnotizen, die ich mitunter nutzen kann, wenn ich dann zu Schritt 7 übergehe.

Vorab: Ich gebe nicht eins zu eins die Ereignisse der Rollenspielrunde wieder. Manche Szenen ergänze ich oder ich raffe sie, suche andere Handlungsorte, etc. pp. Manches geschieht ja auch hinter den Kulissen, also unsichtbar für die Spieler, wenn beispielsweise die Antagonisten ihre Pläne schmieden.

Eine gute Autorin ist eine Zehnkämpferin. Sie schreibt gekonnt Beschreibungen, Spannung, Figurenführung, Action, Spice und natürlich auch noch alles andere, was in eine Familiensaga von vielen Hundert Seiten Platz findet. Soweit die Theorie, aber ich bin nicht in allem gleich gut. Auch die für mich schwierigeren Felder kriege ich hin, dann aber mit größerem Zeitaufwand und manchmal muss ich sogar die Zähne zusammenbeißen. Was ich beispielsweise gar nicht gerne schreibe sind Städtebeschreibungen.

Dialoge und Introspektionen hingegen gehen mir wie von selbst von der Hand. Darum schreibe ich dialoglastig und mit einem Hang dazu, Figuren zu sezieren, dass es manchmal wehtut. Ich mag aber auch humorige Stellen und Absurdes.

Nach dem Schreiben ist vor dem Überarbeiten.

Das erzähle ich in einem anderen Beitrag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert